Die Badeanstalt im Wandel der Zeit
Wer die Hohenmoorer Straße hinunterfährt, der passiert unweigerlich die Siede, einen kleinen Fluss, der von Norden kommend direkt durch Hohenmoor fließt. Hier kreuzt der Siede-Fluss auf Höhe des Ortsteils Hardenbostel die Kreisstraße 14, unterläuft eine Brücke und ist kurz darauf Wasserspender für eines der bekanntesten Moorbäder in der Region: der Hohenmoorer Badeanstalt.
Wir schreiben das Jahr 1948. In einer Zeit, in der die meisten Menschen noch mit den unmittelbaren Folgen des Zweiten Weltkrieges zu kämpfen haben, finden sich in Hohenmoor ein paar findige junge Männer zusammen, um sich des sportlichen Wiederaufbaus anzunehmen. Um die hervorragende Wasserqualität des Siede-Flusses wissend, beschließen sie, in einer mit mehreren Kuhlen durchsetzten Grasfläche direkt neben der Siede ein Moorbad entstehen zu lassen, das durch einen Bachzulauf gespeist werden soll. Die Idee der Badeanstalt ist geboren. Acht Gründungsmitglieder rufen den Schwimmverein „Moorhexen“ ins Leben und beginnen mit Schaufeln, Spaten und Schubkarren ein 24 x 14 Meter großes Schwimmbecken auszuheben, welches von Beginn an für zwei Bevölkerungsgruppen gedacht ist: für jene, die schon schwimmen kann und jene, die es noch lernen muss. Zwar darf sich fortan die erste Gruppe auf zwei Dritteln des Beckens austoben, dafür wird das Nichtschwimmerdrittel später mit einer Rutsche ausgestattet, von der dann auch manch „alter Hase“ gerne Gebrauch macht.
Nach der Fertigstellung des Bades spricht sich auch außerhalb des Ortes herum, dass es in Hohenmoor eine idyllisch gelegene Badeanstalt für jedermann gibt, die noch dazu von einem Verein betreut und gepflegt wird. Und so kommt an lauen Sommertagen eine beachtliche Zahl an Gästen aus den Nachbardörfern, viele davon mit dem Rad, um sich im kühlen Nass des Moorbades zu erfrischen. Besonders die Dorfjugend ist vertreten und erfreut sich an der Bademöglichkeit im eigenen Ort. Tatsächlich lernen in der Folgezeit viele Hohenmoorer das Schwimmen „vor der Haustür“.
Als Umkleidekabine fungiert zunächst ein einfacher Bauwagen, der später durch einen größeren Bau ersetzt wird. Das ist auch nötig, denn wenn es auch keine Langbahn und keinen geprüften Bademeister gibt, der das Treiben im Becken und umzu beaufsichtigt, so erfreut sich die Hohenmoorer Badeanstalt in den Fünfzigern und Sechzigern großer Beliebtheit. Die Aufsicht übernehmen in dieser Zeit und auch später die Mitglieder des Schwimmvereins selbst.
Ebenfalls in den Fünfzigern beginnt der Schwimmverein größere Schwimmfeste auf dem Vereinsgelände zu organisieren. Etliche Besucher sämtlicher Altersschichten werden angelockt, darunter auch Mitglieder benachbarter und befreundeter Vereine. Tagsüber stehen Schwimmwettkämpfe und Wasserspiele auf dem Programm, während sich das Treiben zu späterer Stunde auf die großen Festzelte verlagert.
Dann wird es ruhiger um das kleine Moorbad mit dem sauberen Siedewasser. Große Frei- und Hallenbäder eröffnen in der Region, womit die großen Wettkämpfe andernorts über die Bühne gehen. Der Charme der „Moorhexe“, wie die Badeanstalt im Ort liebevoll genannt wird, bleibt jedoch ungebrochen für alle, die weiterhin in ruhiger Umgebung ihre Bahnen ziehen wollen.
Zu Beginn der Achtziger richtet der Schwimmverein zusammen mit dem Schützenverein Hohenmoor Dorfgemeinschaftsfeste aus. „Spiele ohne Grenzen“ heißt von nun an das Motto unter dem Jung und Alt zusammenfinden, um in Kleingruppen Spiele wie den Wasserbecher-Parcours oder den Schleudersitz zu meistern. Beliebt ist auch das Überqueren des Schwimmbeckens per Schlauchboot – auf Zeit natürlich, was manchem Teilnehmer die Schweißperlen ins Gesicht treibt. Zum Abschluss der Spiele duellieren sich schließlich die Schwimmer mit den Schützen beim Fußball um einen Wanderpokal, der danach auf dem Festzelt begossen wird.
Heute zählt der Schwimmverein „Moorhexen“ siebzig Mitglieder (die Moorhexe selbst nicht mitgerechnet). Nach einem ruhigeren Jahrzehnt ist der Vorstand seit ein paar Jahren neu aufgestellt und der Verein online (www.ab-ins-moor.de). Er hat sich zum Ziel gesetzt, das Vereinsgelände für Radfahrer und Freunde des naturnahen Schwimmens attraktiv zu gestalten. So bietet seit drei Jahren eine Grillhütte Radlern und Badegästen zum gemütlichen Rasten ein Dach über dem Kopf und eine Bank unter dem Hintern.
Vergangenen Herbst errichtete der Verein zudem ein Thekenhäuschen mit separatem Umkleideraum. Hier werden die jährlichen Veranstaltungen der „Moorhexen“ wie die Eiswette im Januar/Februar, das Angrillen im Mai sowie das Matjesessen im August in entspannter Atmosphäre gefeiert.
All diejenigen, die sich im Wasser bewegen wollen, kommen natürlich nach wie vor auf ihre Kosten. Sobald das Bad im Frühjahr gereinigt worden ist, treffen sich an schönen Sommerabenden „Stammschwimmer“ und Neugierige an der „Moorhexe“, um ein paar Bahnen zu ziehen. Dabei können sie ungestört dem Plätschern der Siede lauschen, wie sie sich sanft gen Süden wirft. Die Badeanstalt, da sind sich die „Moorhexen“ einig, ist heute mehr denn je ein Wahrzeichen, das es zu erhalten gilt. Nicht nur um der alten Geschichten und neuen Ideen Willen, sondern auch, damit die Einheimischen auf Nachfrage unkompliziert erklären können, wo genau Hohenmoor eigentlich liegt.